Gut drei Jahre ist es her, dass OpenAI ChatGPT veröffentlichte. Seitdem steht der Begriff sprichwörtlich für „AI“ und hat eine ganze Branche umgewälzt. Während Google anfangs noch sichtlich nach einer Strategie suchte, hat sich der Suchmaschinen-Primus mit Gemini und den AI Overviews inzwischen gefangen.
Doch eine Frage bleibt, die Marketer und SEOs gleichermaßen umtreibt: Wie groß ist ChatGPT eigentlich im direkten Vergleich zu Google? Ist es der oft beschworene „Google-Killer“ oder doch nur eine Nischenanwendung?
Für meinen Vortrag auf dem OMT 2025 habe ich die Daten analysiert. Die Antwort erfordert einen differenzierten Blick, denn: Nicht jede ChatGPT-Nutzung ist eine Suche.
Äpfel und Birnen: Das Problem mit dem Vergleich
Wer die reinen Nutzerzahlen oder Nachrichtenzahlen von ChatGPT gegen die Suchanfragen von Google legt, vergleicht Äpfel mit Birnen. Ein großer Teil der ChatGPT-Nutzung entfällt auf Anwendungsfälle, die Google gar nicht anbietet – etwa das Korrigieren von Texten, Übersetzungen, Brainstorming oder das Schreiben von Code.
Um einen fairen Vergleich zu ziehen, müssen wir den Anteil der ChatGPT-Nutzung isolieren, der einen echten Search Intent hat. Dazu habe ich drei verschiedene Datenquellen herangezogen:
1. Die SISTRIX Prompt-Analyse
Wir haben Millionen Prompts ausgewertet und grob nach Intent klassifiziert. Das Ergebnis: Nur etwa 23% der Eingaben sind mit einer klassischen Google-Suche vergleichbar.
- Informationssuche: 19%
- Einkauf & Produktsuche: 4%
Andere große Blöcke wie „Texterstellung“ (16%) oder „Bildung & Lernen“ (10%) fallen aus dem direkten Raster der klassischen Suchmaschine.

2. Der technische Trigger: Web-Browsing
Ein zweiter Blickwinkel ist die technische Funktionsweise. Wann „weiß“ ChatGPT, dass es das Internet durchsuchen muss? Unsere Auswertung der Antworten zeigt: Nur bei 22% der Prompts wird tatsächlich eine Websuche ausgelöst, um Quellen und Hintergründe zu vertiefen. Die restlichen 78% der Antworten generiert das Modell aus seinem statischen, antrainierten Wissen.
3. Offizielle Daten von OpenAI
Interessanterweise decken sich unsere Messungen fast exakt mit internen Daten, die OpenAI kürzlich in einem Paper veröffentlicht hat. Dort wird die Kategorie „Seeking Information“ mit 24,4% der Gesamtnutzung angegeben. Die größte Nutzungskategorie ist laut OpenAI übrigens „Practical Guidance“ (28,8%).

Die Rechnung: ChatGPTs Marktanteil in Zahlen
Mit diesem Wissen können wir rechnen. Im gleichen Paper gab OpenAI an, pro Tag 2,63 Milliarden Nachrichten zu verarbeiten.
Um fair zu bleiben und auch „Grauzonen“ (wie Coding-Fragen oder einfache Faktenabfragen, die früher gegoogelt wurden) abzudecken, habe ich für den Vergleich eine sehr breite Spanne angenommen: Ich kalkuliere mit einem „Search Intent“-Anteil von 22% (konservativ) bis 50% (sehr optimistisch).
Daraus ergibt sich folgendes Bild:
- ChatGPT Search-Volume: Zwischen 0,57 und 1,31 Milliarden such-relevante Anfragen pro Tag.
- Google Benchmark: Die letzten validen Zahlen für Google liegen bei rund 15 Milliarden Suchen pro Tag.
Setzt man diese Zahlen ins Verhältnis, landet ChatGPT aktuell bei 4% bis 9% des Google-Volumens.
Fazit: Die zweitgrößte Suchmaschine der Welt
Ist ChatGPT also klein? Keineswegs. Ein Marktanteil von bis zu 9% im Vergleich zum Monopolisten Google klingt zunächst wenig. Aber in absoluten Zahlen bedeutet das: ChatGPT ist aus dem Stand zur zweitgrößten Suchmaschine der Welt geworden.
Das System liegt damit bereits jetzt deutlich vor Bing und anderen Wettbewerbern. Google ist (noch) nicht entthront, aber der Herausforderer hat sich in nur drei Jahren einen signifikanten Platz im Informationsverhalten der Nutzer gesichert – und das mit einer Technologie, die Suche oft nur als ein Feature von vielen betrachtet.
