Deine Webseite ist noch nicht für Voice Search optimiert? Macht nix.

Die Sprachsuche verändert die Suchmaschinenoptimierung nicht. Alle SEO Empfehlungen zum Thema Sprachsuche sind sehr fragwürdig und die meisten, wenn nicht sogar alle, können ignoriert werden.

Der Großteil der Informationen über die „Sprach Revolution“ sind irreführend, nutzen die falschen Daten, haben falsche Quellen und selbst bei diesen Quellen wird nicht ganz klar, was Sprachsuche eigentlich wirklich ist.

Was ist die Sprachsuche?

Wenn über Voice Search gesprochen wird, ist die erste Assoziation der meisten Menschen die von intelligenten Lautsprechern – wie Google Home, Amazon Alexa, Apples Siri und Cortana von Microsoft – und die Optimierung der eigenen Webseite für eben diese. Wobei solche Lautsprecher für den Verwendungszweck „SEO“ an sich überhaupt keine Relevanz besitzen und zwar aus folgendem Grund:

Wenn man über Sprachsuche spricht, kommt es auf den Output an:

  1. Nutzt jemand die Sprachsteuerung anstelle eines Keywords um eine Frage an Google zu richten, handelt es sich bei der Antwort um eine reguläre Web-Suche von Google (klassisches SEO). Diese Suchen tauchen auch in der Google Search Console auf und können ausgewertet werden 1.
  2. Wird hingegen eine Sprach-Eingabe genutzt um eine Sprach-Antwort zu erhalten, wie im Fall der intelligenten Lautsprecher, dann sieht das Ganze schon anders aus, hat jedoch fast überhaupt keine Verbindung zu SEO. Diese Suchen werden zudem nicht in der Search Console protokolliert 1.

Handelt es sich bei dem Anstieg der Sprachsuchen um ersteres, ändert sich für SEOs rein gar nichts. Nimmt jedoch die zweite Ausgabe zu, kannst du deine Karriere als SEO oder Webmaster an den Nagel hängen und anfangen innovative und originelle „Skills“ für intelligente Lautsprecher herzustellen (und die Nutzer dann natürlich auf diese hinzuweisen).

Für Google sind Sprachsuchen weitaus mehr als die klassischen Suchanfragen auf den Web-Index, wie wir ihn kennen.

„Voice Search“ war ein Tool welches 2007 über Google Labs herausgebracht wurde 3. Ähnliche Produkte hat Google dann auch 2008 für iPhone, BlackBerry und Nokia veröffentlicht. Damit wurde es möglich die eigene Sprache zu nutzen, um eine Suche über die Google Websuche, Google Maps oder Youtube zu starten 4. 2012 hat Google dann „Google Voice Search“ für Desktop und Mobiltelefone veröffentlicht. Seit Juli 2019 werden alle im „Google Assistant“ für Android zusammengeführt 5.

Als SEO sollte man wissen, dass ein „Rufe X an“ und auch „Sende Y eine Textnachricht“, sowie „Setze einen Wecker für 6 Uhr morgens“ für Google auch Sprachsuchen sind – und zwar „Device Actions“ um Googles Definition aus den Quality Rater Guidelines zu nutzen 2.

Woher stammen die ganzen vollmundigen Vorhersagen?

Als Sundar Pichai 2016 auf der Google I/O Konferenz mitteilte, dass 20% aller US Suchen Sprachsuchen sind, hat er auch all diese Do-Device-Actions aus den Google Apps und von Android mit einbezogen (sowie die klassische Suche) 6.

Es ist schon interessant, dass Google seit 3 ½ Jahren keine weiteren Statistiken zur Nutzung veröffentlicht hat. Was uns vermuten lässt, dass die Sprachsuche seitdem nicht signifikant gewachsen ist. Wie kommen also diese beliebten Vorhersagen zustande?

„2020 werden 50% aller Suchen per Sprache getätigt“

Als ich versucht habe diese Frage zu beantworten, ist mir direkt ins Auge gesprungen, dass die Quelle dieser Aussage sich auf wiederum andere Quellen bezieht, welche sich auf andere Quellen beziehen, welche dann schließlich die Originalquelle als ComScore angeben.

Man könnte auch einfach sagen, „Ich kenne da jemanden, der jemanden kennt“. Es gibt dabei nur ein kleines Problem: in der besagten ComScore Studie, „The Future of Voice“, spricht Susan Engleson solch eine Statistik gar nicht an 7.

Das Zitat stammt eigentlich von Mary Meeker, von Kleiner Perkins (eine Internet Analystin), aus ihrem beliebten „Internet Trends Report“ 8. Amüsanterweise zitiert Sie dabei nur den Chief Scientist von Baidu, Andrew Ng, welcher 2014 in einem Interview mit Thefastcompany.com folgendes gesagt hat:

„In fünf Jahren werden mindestens 50% der Suchen entweder mittels Bildern oder Sprache geschehen“ 9

Andrew Ng

Zum gleichen Schluss ist auch Rebecca Sentance gekommen, die sich letztes Jahr mit dem Thema beschäftigt hat (falls ihr Rebecca noch nicht auf Twitter folgt, ist jetzt eine gute Gelegenheit damit anzufangen – den Link findet ihr unten, in den Quellenangaben).

Warum Andrew von 50% gesprochen hat ist leider immer noch unklar, wir können jedoch mit Recht behaupten, dass seine Vorhersage nicht eingetroffen ist (wobei Baidu noch nicht einmal Marktführer für Sprachsuche in China ist. Das ist jedoch eine andere Geschichte 10).

Wie auch Andrew, fühlten sich die Gartner Analysten dazu gezwungen, eine Einschätzung abzugeben 11. In ihren „Strategic Predictions for 2017“ findet sich daher die Äußerung:

„Bis 2020 werden 30% der Browser-Sitzungen im Netz ohne einen Bildschirm getätigt“

Leider fehlt bei dieser Vorhersage der Name des zuständigen Analysten, nicht jedoch die Quelle, auf die sich diese Analyse stützt. Es handelt sich hierbei um den Google Artikel „OMG! Mobile voice survey reveals teens love to talk“ aus 2014. Dort finden sich jedoch leider keine Prozentangaben zur Anzahl der Nutzer von Sprachsuchen. Es wurde lediglich geschaut, welche Sprachsuch-Gewohnheiten auf den Mobiltelefonen der damals bestehenden Sprachsuche-Nutzer zu erkennen waren 12.

Wenigstens gibt Gartner ehrlicherweise zu, ihre „Annahmen sind provokativ“ .

Neben diesen aufgeblähten Schätzungen sind leider weder die Analysten oder Autoren trennscharf auf die unterschiedlichen Anwendungsfälle von Mobiltelefonen und intelligenten Lautsprechern eingegangen. Zudem hat niemand Googles Perspektive zur Sprachsuche erklärt. All das ist jedoch relevant für SEOs.

Mehr Licht! – Ist es nicht einfacher die Nutzer direkt zu fragen?

Im Dezember 2017 haben wir Google Surveys genutzt um 26.720 Antworten aus Deutschland, Spanien, dem Vereinten Königreich und den USA zu erheben 13. Am 16.November 2019 haben wir die Umfrage erneut durchgeführt und 7.620 Antworten aus Deutschland, Spanien, dem Vereinten Königreich und den USA erhalten. Hier das Gesamtergebnis:

Wir haben zudem gefragt „Womit aktivieren sie ihren Sprachassistenten?“ a) „hey, Siri“, b) „hey, Alexa“, c) „OK, Google“, d) „hey, Cortana“. Damit wollten wir die Unterscheidung zwischen dem einfachen Besitz eines Gerätes und der tatsächlichen Nutzung der Sprachsuche finden. Hierbei haben wir vergleichbare Ergebnisse erhalten.

Übrigens: In den USA führt Apples Siri die Liste an, während in Europa Alexa die Nase vorn hat. Google Home ist in beiden Märkten gewachsen. In den USA nutzen 65% der Befragten mindestens einen Sprachassistenten.

Unterm Strich ist die Nutzung der Sprachsuche nicht signifikant nach oben gegangen.

Schlussgedanken

  1. Der Sprachsuche gehört die Zukunft, aber es bahnt sich keine Revolution an. Und selbst wenn dies der Fall wäre, solange deine Webseite so aufgebaut ist, dass Informationen einfach zugänglich und nützlich für Besucher sowie Suchmaschinen sind, musst du nichts spezielles für die Sprachsuche machen.
  2. Vertraue den Prognostikern nicht. Mir persönlich fällt es schwer zu verstehen, warum Analysten nie den Aufstieg von Amazon, Google, Apple und Facebook vorhergesehen haben. Was wiederum dazu geführt hätte, dass sie genug Geld verdient hätte um ihren Job als Analysten an den Nagel zu hängen! Wenn ich eine kaputte Uhr benutze, kann ich dir jeden Tag genau zweimal die korrekte Uhrzeit vorhersagen, die restliche Zeit liege ich falsch. Jedoch machen Prognostiker genau das. Ein Wissenschaftler würde sagen: „Es gibt eine 1% Wahrscheinlichkeit, dass die Sprachsuche bis 2020 um 30% wachsen kann“. Das ist auch der Grund warum dieser sich lieber mit Wissenschaft beschäftigt und nicht dauernd Aktien von aufstrebenden Firmen kauft.
  3. Nutzt Google Surveys 14. Du musst dich nicht darauf verlassen was andere schreiben. Mit Google Surveys kannst du heute schon verlässliche Daten erheben. Wir haben 139 Euro ausgegeben und mehr als 1.500 Antworten pro Land erhalten. Ich persönlich glaube, dass diese Methode so gut funktioniert, da Menschen keinen Anreiz haben, Maschinen anzulügen 15.

Ich wünsche einen schönen Start in die Woche und hoffe der Beitrag hat dir gefallen.

PS: Wir haben die Umfrage dieses Jahr auch in Italien und Frankreich durchgeführt, falls wir in 2 Jahren erneut die Studiendaten updaten müssen 🙂

Quellen

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