frauenzimmer.de sagt „Adieu” und keiner weiß warum

Wir staunten nicht schlecht, als wir zu unserem montagmorgendlichen Café einen Blick auf die Gewinner und Verlierer warfen, die die Toolbox wöchentlich bereithält. Die Domain frauenzimmer.de mit ihren rund 30 Sichtbarkeitspunkten büßte fast 95 % ihrer Sichtbarkeit ein. Die Frage, warum sie so drastisch an Sichtbarkeit verloren hat, war schnell beantwortet: Die Betreiber haben die Website vom Netz genommen! Die wichtigere Frage ist: warum? Und wer profitiert davon? Begeben wir uns auf Spurensuche!

Die Domain frauenzimmer.de – ein Überblick

frauenzimmer.de war eine Online-Plattform für Frauen und erarbeitete sich mit unterschiedlichen Themen von Mode, Beauty und DIY bis hin zu Familie, Liebe und Leben viel Traffic und eine respektable Sichtbarkeit.

Das Online-Portal gehört der IP Deutschland GmbH. Die RTL-Tochter verantwortet die Vermarktung von Werbeflächen auf den verschiedenen RTL-Verticals, zu denen neben frauenzimmer.de auch wetter.de und kochbar.de gehört. Im September 2016 berichtete die WuV noch über einen großen Relaunch der Seite durch die RTL-Mediengruppe. Es war die Rede von mehr Social-Media, mehr Video-Content und weniger Werbung. So weit, so gut.

Jetzt, im Januar 2018, sagt Frauenzimmer „Adieu” und stürzt völlig ab:

Nicht nur uns stellten sich Fragen; es meldeten sich auch einige Nutzer über die sozialen Medien:

Diese Anfragen blieben jedoch bis heute unbeantwortet.

Was ist passiert?

Der vermutlich pragmatische, aber wahre Grund für die Schließung einer Domain ist in der Regel keiner, den man gerne und offen an die eigene Leserschaft kommuniziert – nämlich ein betriebswirtschaftlicher. Doch was tun mit dem mühselig aufgebauten Vertrauen und dem ganzen Content? Weiterleiten! Fortan profitiert Kölns Mediengruppe und langjähriger Seitenbetreiber RTL direkt von der Linkkraft, den Inhalten und allen Vertrauenssignalen, die es mit frauenzimmer.de, als gut frequentiertes Frauenportal, über viele Jahre hinweg aufgebaut hat. Warum auch nicht? Man bedient sich nun wertvoller Inhouse-SEO-Ressourcen für das „große Ganze“. Die fehlende Kommunikation mit den Nutzer*innen ist eine andere Sache. Aus SEO-Sicht können wir nur sagen: eine gute Strategie!

Wie passt RTL in die Geschichte?

Welche Gründe dafür sprachen frauenzimmer.de dicht zu machen, ist unklar, aber wir sehen, dass RTL den Trust des Online-Portals jetzt für die eigene Domain nutzt. Mit permanenten Weiterleitungen werden sämtliche Inhalte auf RTL.de geleitet. Ein exemplarisches Beispiel:

Die Toolbox bestätigt: Für ein beliebiges Keyword aus dem Set-Up von frauenzimmer.de rankt nun, wie aus dem Nichts, RTL.de auf Seite 1:

Es bedarf keiner weiteren Erklärung, warum RTL von den Weiterleitungen profitiert. Dahinter steckt eine simple SEO-Wahrheit, die Hanns Kronenberg einmal in folgende Worte gefasst hat:

„Grundsätzlich ist SEO-Wachstum insbesondere durch mehr Links und mehr Content zu realisieren.”

Schauen wir uns die Sichtbarkeit von frauenzimmer.de und RTL.de in einem gemeinsamen Chart an, erkennen wir, dass die Sichtbarkeitszunahme von RTL.de fast analog zum Sichtbarkeitsverlust von frauenzimmer.de verläuft:

Noch Fragen? ?

Mergers & Acquisitions als SEO-Wachstumsmodell

Es spricht nichts dagegen, die eigene Sichtbarkeit durch die Übernahme von bereits etablierten Websites zu stärken. Wer diesen Weg geht, sollte neben den technischen SEO-Aspekten aber immer auch seine Nutzer im Auge behalten.

Wir haben in der Vergangenheit über Econa geschrieben, Betreiber von giga.de. Die Domain giga.de übernahm macnews.de und versprach sich dadurch einen deutlichen Zuwachs an Sichtbarkeit. Doch schon kurz nach der Integration von macnews.de vergraulte man die Besucher mit einem Design-Relaunch, der nicht ihren Erwartungen entsprach. Google erkannte die Nutzersignale und reagierte. Infolgedessen war der Zugewinn an Sichtbarkeit durch die Übernahme von macnews.de schnell aufgebraucht – doch giga.de erholte sich und versechsfachte seine Sichtbarkeit schließlich nach einem weiteren (Re-)Relaunch.

Bei RTL hingegen scheint man in Sachen Design und User-Experience eine etwas konservativere Herangehensweise an den Tag zu legen und lässt zumindest die Navigationsstruktur weitgehend unverändert. Der Nutzer hat sich nur mit einem neuen Logo abzufinden.

Es geht auch anders

Klar ist, dass RTL mit der Integration von frauenzimmer.de noch am Anfang steht. Es scheint jedoch, als verfolge man beim Kölner Medienriesen die richtigen Ziele.

Wie man Popularität und wertvolle SEO-Arbeit (in Zahlen: 12 Punkte im Sichtbarkeitsindex) hingegen ungenutzt verfallen lässt, zeigt ein ebenso aktuelles Beispiel aus der Deutschen Kunstszene. Deutschlands größte Kunstzeitschrift art entschied sich dazu, seine Website aus Rentabilitätsgründen zu schließen und leitet seit einigen Tagen alle Inhalte auf die Startseite um. Die Folge:

Laut turi2.de plant der Verleger Gruner + Jahr, die Startseite des wichtigsten Nachrichtenportals für die deutschsprachige Kunstwelt in eine „Abonnier-Anleitung für das gedruckte Heft” zu verwandeln. Für den stärksten Wettbewerber, dem monopol magazin, regnet es damit Chancen – einfach so!

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