In der vergangenen Woch fragte Karl Kratz auf Facebook nach Websites, die so gut gemacht sind, dass man dort einfach einkaufen muss.
Keine Website erhielt in den Kommentaren so viel Zustimmung wie der Shop reishunger.de. Da sich die Domain auch schon länger auf meinem SEO-Radar befindet, wollte ich wissen, welche Geschichte sich hinter diesem Erfolg verbirgt und habe Sohrab Mohammad, einen der beide Gründer, in einem Interview befragt.
Hanns: Hallo Sohrab, zusammen mit Deinem Geschäftspartner Torben habt Ihr 2010 als Studenten reishunger.de gegründet, einen Online-Shop rund um das Lebensmittel Reis. Wie kamt Ihr auf die Idee?
Sohrab: Wir waren 2010 am Ende unseres Studiums des Witrschaftsingenieurwesens an der Uni Bremen und auf der Suche nach einer Geschäftsidee. Wir hatten beide keine Lust wie die meisten unserer Mitstudenten in einen Konzern oder eine Beratung zu gehen. Wir diskutierten bestimmt 6 Monate lang und hatten viele (schwachsinnige) Ideen, bis wir eines Tages in der Unimensa saßen und Torben mich fragte, was es im Iran gibt, das es in Deutschland noch nicht existiert. Zum Hintergrund: Meine Eltern kommen aus dem Iran. Ich schaute auf meinen Teller und meinte: Reis.
Ich meinte es eigentlich aus Witz. Wir fingen trotzdem an, drüber zu reden und bemerkten schnell, dass das vielleicht doch mehr sein kann. Reis ist das beliebteste und sortenreichste Grundnahrungsmittel der Welt. In Deutschland – vor allem in Kantinen, was für viele Deutsche der wahrscheinlichste Touchpoint mit Reis ist – kennen wir aber nur den klebrigen pre-cooked Reis, der nach gar nichts schmeckt. Also gründeten wir Reishunger mit der Mission, eine Reisrevolution in deutschen Küchen durchzuführen.
Hanns: Wie hat sich das Geschäft inzwischen entwickelt?
Sohrab: Wir sind 2011 offiziell gestartet und seither nur aus eigenen Mitteln gewachsen. Also ganz klassisch gebootstrapped. Wir haben heute 60 Mitarbeiter in Büro und Lager, füllen ab und verpacken auf 1500qm Lagerfläche und sitzen auf rund 400qm Bürofläche im alten Hafen Bremens. Unser Hauptgeschäft ist der eigene Onlineshop. Inzwischen bedienen wir aber auch Online- sowie Offlineretailer in ganz Deutschland, Österreich und Schweiz und sind die Reiskompetenz für einige große Partner.
Hanns: Ich kann den Erfolg sehr gut verstehen. Bei SEO-Recherche bin ich auf die Website reishunger.de gestoßen. Sie hat mich vom ersten Moment an gefesselt. Ihr präsentiert das Thema Reis so leidenschaftlich und mit so viel Liebe und Lifestyle, dass innerhalb weniger Tage in mir der Gedanke gewachsen ist ohne einen Reiskocher nicht mehr leben zu können. Dabei habe ich vorher fast nie Reis gekocht. So sieht gutes Online-Marketing aus.
Jetzt steht der 30-Euro-Reiskocher von reishunger.de bei uns in der Küche, blubbert fast jeden Abend lustig vor sich hin und hüllt die Küche in den wunderbaren Duft von Jasminreis für leckere Curry-Gerichte. Ich analysiere jährlich Tausende Websites, aber es ist Jahre her, dass mich zuletzt eine Website so begeistert hat. Das Sortiment, das Design, die Bilder, die Texte und auch die Suchmaschinenoptimierung sind sehr gut. So ein komplettes Gesamtpaket sieht man äußerst selten. Wie schafft Ihr es im Studentenalter so viele richtige Entscheidungen zu treffen? Gibt es da ein Erfolgsgeheimnis?
Sohrab: Erst einmal tausend Dank für das Kompliment. Wenn man vom operativen Alltag gefesselt ist und sich vor allem mit Herausforderungen beschäftigt, hört man so ein Feedback natürlich sehr gerne und erinnert sich, dass man vielleicht doch ganz gute Arbeit geleistet hat. Denn genau das, was du so schön beschreibst, war von Anfang an unser Ziel.
Während in alten Kolonialmächten wie z.B. das British Empire die Beziehung zu klassischen Reisländern wie Indien und Pakistan dazu geführt haben, dass Engländer heute guten Basmatireis als Selbstverständlichkeit sehen, haben Deutschland und Reis keine lange gemeinsame Historie. Entsprechend sind hier eher Brot und Kartoffeln die vorwiegenden Beilagen. Deshalb stand für uns von Anfang die Herausforderung im Raum, wie man den deutschen Küchenhaushalt davon überzeugt, mehr (guten) Reis zu essen. Und jede Entscheidung, die wir in den letzten Jahren gefällt haben, zielte immer genau darauf ab.
Angefangen bei der Brand, über die Kommunikation und das Pricing bis hin zur Suchmaschinenoptimierung haben wir immer stark darauf geachtet, dass wir eine einheitliche Story erzählen: Iss doch mal Reis. Wenn man eine Mission und eine klare Strategie hat, also genau weiß, warum man etwas tut, fallen einem große wie kleine Entscheidungen einfacher.
Hanns: In meinen SEO-Seminaren benutze ich reishunger.de gerne als inspirierendes Beispiel (So starten Einsteiger erfolgreich mit der SISTRIX Toolbox). Es ist die klassische David-gegen-Goliath-Geschichte, bei der David gewinnt. Wir alle kennen Uncle Ben`s und sind damit aufgewachsen. Eure SEO-Kennzahlen sind jedoch in allen Bereichen deutlich besser (Beispiele Rankings bei google.de). In Deutschland bekommt Ihr jeden einzelnen Monat wahrscheinlich mehr Traffic über Google als Uncle Bens`s im ganzen Jahr. Wie wichtig ist der Kanal SEO für Euch und wie habt Ihr das aufgesetz?
Sohrab: Fairerweise muss man natürlich sagen, dass größere Firmen wie Uncel Ben’s den Onlinekanal nicht für sich nutzen – wahrscheinlich gar nicht mal so sehr, weil sie es nicht könnten, sondern eher weil sie es nicht für notwendig erachten, weil ihre Produkte ausschließlich über den klassischen Einzelhandel gehen. Wir haben den Onlinekanal für uns gewählt, gerade weil der klassische Einzelhandel für eine neue Brand viel zu hohe Eintrittsbarrieren hat. Und als wir uns einmal dazu entschieden haben auf online zu setzen, haben wir entsprechend angefangen die gesamte Onlinemarketing-Klaviatur zu bedienen, u.a. auch SEO.
Wir hatten damals das große Glück, dass wir die ersten waren, die diese Idee hatten. Entsprechend war das Internet sehr spärlich gesät mit Informationen über Reis. Also haben wir uns mit Studenten über mehrere Jahre hingesetzt und über Reis geschrieben, was das Zeug hält. Irgendwann als die wichtigsten Grundinformationen bedient waren (also Quantität), haben wir uns tiefer mit der Materie SEO beschäftigt, Tools integriert, um effizienter geeignete Keywords zu optimieren (also Qualität). Seither ist SEO ein dauerhaft wichtiger Faktor für die Trafficentwicklung unserer Seite.
Heute ist das Thema SEO bei uns so aufgesetzt, dass wir sowohl Inhouse als auch zusammen mit einer Agentur daran arbeiten. Inhouse erstellen wir vor allem Content, den wir über unsere Ziele in der Suchmaschinenoptimierung hinaus aus kommunikativer Sicht ableiten (z.B. für unsere Kanäle Social, Newsletter, Blog). Über die Agentur kommt vor allem Content, der aus SEO-Zielen abgeleitet wird und daher etwas “technischer” daherkommt. Aktuell ist das also ein gesunder Mix, der gut für uns funktioniert.
Hanns: Wart Ihr mit Eurer SEO-Strategie von Anfang an erfolgreich oder gab es zwischenzeitlich auch Rückschläge? Welche Tipps könnt Ihr anderen Unternehmen geben?
Sohrab: Unsere SEO-Strategie ist sehr schnell aufgegangen. Den Grund dafür ausschließlich in unserer “großartigen” Arbeit zu sehen, wäre aber nicht ganz ehrlich. Es hat auch viel damit zu tun, dass wir die ersten waren, die überhaupt tiefer ins Thema Reis eingestiegen sind. Deshalb ist guter Rat für andere Unternehmen – vor allem, wenn man sich in einem hart umkämpften Markt befindet – an dieser Stelle etwas fehlplatziert.
Mein genereller Tipp: Auf Qualität setzen! Wenige gute und für User wirklich brauchbare Informationen zu schaffen, ist wertvoller, als viele mittelgute Artikel zu schreiben.
Hanns: Inzwischen versuchen einige Unternehmen Euren Erfolg oberflächlich zu kopieren, ohne aber die Erfolgsfaktoren verstanden zu haben. Und Uncle Ben`s schreibt bei Wissensartikeln über Reissorten von Eurer Website ab. Plagiate sind bekanntlich die höchste Form der Anerkennung. Wie geht Ihr damit persönlich um?
Sohrab: Wir sind in den letzten Jahren über viele auch kleinere Plagiate gestolpert – angefangen beim Tütendesign, über die Art der Kommunikation bis hin zu 1:1 Kopien unserer Website. Ich persönlich könnte gut auf diese Art der Anerkennung verzichten. Überhaupt nicht, weil ich mich bedroht fühle oder so. Ich finds einfach uncool, Dinge zu kopieren. Es will mir nicht in den Kopf gehen, wie man als Unternehmer so wenig Anspruch an sich selber hat, nicht etwas neues, besseres schaffen zu wollen, sondern einfach etwas nimmt, was jemand anderes gemacht hat und es dann auch noch schlecht umsetzt. Ich finde, es bringt halt niemanden weiter. Deshalb: No respect für dreibeinige Copycats.
Hanns: Wie geht Eure Geschichte weiter, was dürfen wir in den nächsten Jahren von Euch erwarten?
Sohrab: Wir werden weiter hart an unseren beiden wichtigsten Kernthemen arbeiten: Neue Produkte schaffen und unseren Onlinechannel weiter stärken. Da wir aber inzwischen auch über unsere Onlineaktivitäten hinaus durchaus als qualitativ hochwertige Reismarke wahrgenommen werden, ist der nächste logische Step der klassische Lebensmitteleinzelhandel – also der Offlinemarkt. Es wird spannend zu sehen, wie wir als Onlinebrand in den klassischen Offlinemarkt schreiten und wie wir die beiden Welten logisch miteinander verknüpfen. Haben da schon ein paar hoffentlich gute Ideen.
Hanns: Zum Schluß bitte ich Dich noch um einen kulinarischer Tipp. Welches Produkt aus Eurem Shop sollten die SISTRIX-Leser unbedingt einmal ausprobieren?
Sohrab: Für alle Reiserfahreneren empfehle ich immer gerne unseren Schwarzen Reis. Das ist ein Vollkorn Reis aus dem italienischen Piemont, etwas nussig im Geschmack, super gesund, und optisch natürlich ein Highlight mit z.B. Fisch und einer weißen Bechamel-Sauce. Einfach perfekt.
Für alle Reiseinsteiger empfehle ich unsere Kennenlern Box und unsere Tasty Box. Sie enthalten alle unsere klassischen Produkte und sind daher perfekt, um mal den Unterschied zum Kantinenreis und auch den Unterschied zwischen den verschiedenen Reissorten zu erleben. Für die allermeisten ein Aha-Erlebnis und der Grund, warum es immer mehr reishungrige Deutsche gibt!
Hanns: Vielen Dank, Sohrab, für das Interview. Ich wünsche Euch weiterhin viel Erfolg.
Fazit
Der Erfolg von reishunger.de ist das Ergebnis einer klar durchdachten Strategie. Torben Buttjer und Sohrab Mohammad haben eine attraktive Marktlücke im deutschen Lebensmittelhandel entdeckt und die Pioniervorteile erfolgreich ausgespielt. Die Reisrevolution in deutschen Küchen wurde durch die konsequente Nutzung der Online-Marketing-Kanäle und insbesondere auch durch SEO möglich. Im Gegensatz zu den klassischen Handelskanälen bestehen hier keine großen Markteintrittsbarrieren.
Das Erfolgsgeheimnis ist eine eindeutig definiertes Ziel verbunden mit einer konsequente Nutzerorientierung, die bei reishunger.de alle großen und kleinen Entscheidungen bestimmt. Die Mission „Iss doch mal Reis“ transportiert die Website mit jedem Pixel. Im Gegensatz zu den meisten anderen Shops beschreibt sie nicht einfach nur das „Was“ des Angebotes. Vielmehr erzählt das vorbildliche Content-Marketing in einer Vielzahl von Artikeln leidenschaftlich das „Warum“. Das begeistert und macht neugierig. Diese nutzerorientierten und qualitativ hochwertigen Artikel funktionieren wenig überraschend auch gut bei Google und seinen Nutzern.
Wie stark das Content-Marketing wirkt, zeigt sehr eindrucksvoll die Tatsache, dass die junge Marke Reishunger im Vergleich zur alteingesessenen Marke Uncle Ben`s von fast viermal so vielen Domains verlinkt wird. Zusätzlich muss man Torben und Sohrab aber offensichtlich auch ein glückliches Händchen bei der Auswahl von Mitarbeitern und Dienstleistern attestieren, welche als Team die Strategie hervorragend umgesetzt haben.
Welche Website hat Euch zuletzt begeistert? Vielen Dank schon einmal für alle Kommentare!