Kaufentscheidungen verlaufen heute kaum noch linear – sie sind komplex, individuell und voller Umwege. Warum der klassische Funnel ausgedient hat, was es mit Googles „Messy Middle“ auf sich hat und welche konkreten Learnings SEOs daraus ziehen können, erklärt SEO-Berater Florian Elbers. Außerdem: Tipps für bessere Snippets, zielgruppenorientierte Landingpages und eine Nutzererfahrung, die wirklich überzeugt.
- Was ist das “Messy Middle”-Modell und löst es den “Funnel” ab?
- Wie sieht die Customer Journey nach dem “Messy Middle”-Modell aus – im Gegensatz zum klassischen Funnel?
- Wie hat sich “Nachfrage” mit der Zeit entwickelt – was ist Kaufenden heute wichtig?
- Verändert das “Messy Middle”-Modell auch die Arbeit von SEOs?
- Welche drei Tipps gibst du SEOs mit für “Messy Middle” statt “Funnel”?
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Florian Elbers ist selbstständiger SEO-Berater mit dem Schwerpunkt Big Data und berät unter dem Namen NEOSEO Unternehmen rund um Suchmaschinenoptimierung. Seine SEO-Laufbahn begann 2009 und führte ihn über Stationen bei TRG und Axel Springer bis zur Mitgründung des SEO Meetup Hamburg – dem größten regelmäßigen SEO-Event in Deutschland. Mit über 15 Jahren Erfahrung hilft er vor allem großen Publishern und datengetriebenen Unternehmen, ihre Sichtbarkeit in der Google-Suche nachhaltig zu verbessern.
Wer lieber liest statt hört, findet das Interview mit Florian hier noch einmal zusammengefasst:
Was ist das “Messy Middle”-Modell und löst es den “Funnel” ab?
Das “Messy Middle” beschreibt ein Modell der Customer Journey, das von Google geprägt wurde und die Realität des Kaufprozesses besser abbildet als der klassische Funnel. Im klassischen Marketing-Funnel stellen wir uns eine lineare Abfolge von Phasen vor – von Aufmerksamkeit über Interesse bis hin zum Kauf. In der Praxis verläuft der Weg zur Kaufentscheidung heute aber selten so geradlinig. Hier kommt das Messy-Middle-Modell ins Spiel: Es zeigt, dass sich Kund:innen mitten im Entscheidungsprozess in einer Art chaotischer Mitte befinden – einer Schleife aus Recherche und Abwägung, die sich mehrfach wiederholen kann.
Heißt das nun, dass der altbekannte “Funnel” ausgedient hat? Nicht ganz. Der Funnel ist nach wie vor ein nützliches Konzept, um die verschiedenen Phasen vom Erstkontakt bis zum Kauf grob zu strukturieren. Aber das Messy Middle ergänzt dieses Modell um wichtige Details, statt es komplett zu ersetzen. Wir haben es also nicht mehr mit einem einfachen Trichter zu tun, sondern mit einem dynamischen, hin- und herspringenden Prozess. Für Marketer heißt das: nicht nur auf einen geradlinigen Pfad versteifen, sondern auch die komplexen Zwischenschritte beachten, in denen potenzielle Kund:innen Informationen sammeln und ihre Entscheidung vorbereiten.
Wie sieht die Customer Journey nach dem “Messy Middle”-Modell aus – im Gegensatz zum klassischen Funnel?
Beim klassischen Funnel geht man davon aus, dass die Kund:innen die Phasen schön der Reihe nach durchlaufen: Zuerst wird jemand auf ein Produkt aufmerksam, entwickelt dann Interesse, erwägt einen Kauf und schließt schließlich den Kauf ab. Der Funnel wirkt sehr sauber und linear – als würde jeder Schritt die Person eine Stufe tiefer in den Trichter bringen.
Die Customer Journey im Messy Middle sieht hingegen deutlich unordentlicher aus. Typischerweise gibt es am Anfang einen Auslöser oder konkreten Bedarf: Zum Beispiel merkt jemand, dass er ein neues Smartphone braucht. Statt dann gradlinig Richtung Kauf zu marschieren, begibt sich diese Person ins „Messy Middle“. Das bedeutet: Sie beginnt zu recherchieren (Exploration) – sucht nach verschiedenen Modellen, liest Testberichte und schaut sich vielleicht Videos an. Parallel dazu bewertet sie die Optionen (Evaluation) – vergleicht Preise, Funktionen, Pro und Contra. Diese Phasen von Exploration und Evaluation passieren oft nicht nur einmal, sondern wiederholen sich: Man entdeckt etwas Neues, bewertet es, stolpert über eine weitere Option, recherchiert wieder und so weiter.
Irgendwann fällt dann doch eine Entscheidung – ein Produkt sticht heraus oder ein Angebot gibt den letzten Anstoß. Das Messy-Middle-Modell berücksichtigt also, dass die Phase zwischen dem ersten Impuls und dem Kauf ein dynamisches Hin und Her ist. Im Gegensatz zum statischen Funnel sollten wir uns die Journey wie eine Schleife vorstellen, aus der man erst herauskommt, wenn genügend Vertrauen aufgebaut ist oder ein überzeugender Trigger zum Kauf führt.
Wie hat sich “Nachfrage” mit der Zeit entwickelt – was ist Kaufenden heute wichtig?
Wenn man sich anschaut, wie sich die Nachfrage über die Jahre verändert hat, fällt vor allem eines auf: Kund:innen sind heute informierter und anspruchsvoller als je zuvor. Früher bedeutete Nachfrage oft einfach, dass jemand ein Bedürfnis hat und ein Produkt dafür sucht. Heutzutage wollen Menschen aber nicht nur irgendeine Lösung – sie wollen die beste Lösung für ihr Problem, möglichst sofort verfügbar.
Was heißt das konkret? Kaufende legen heute großen Wert auf Vertrauen und Transparenz. Sie informieren sich ausführlich, bevor sie eine Entscheidung treffen. Bewertungen und Erfahrungsberichte anderer Kund:innen spielen eine enorme Rolle – niemand möchte die sprichwörtliche Katze im Sack kaufen. Ebenso wichtig sind Faktoren wie Preis-Leistungs-Verhältnis, Qualität und Service. Im digitalen Raum erwarten Nutzer:innen auch eine gute User Experience: Eine schnelle Website, klare Informationen, einfache Abläufe – all das beeinflusst, ob es zum Kauf kommt oder nicht.
Kurz gesagt agieren Käufer:innen heute selbstbewusster. Sie können Anbieter leicht vergleichen, Preise checken und Alternativen finden. Entsprechend steigen die Ansprüche an Unternehmen: Wer überzeugen will, muss mehr bieten als nur ein gutes Produkt. Dinge wie Markenvertrauen, authentische Kommunikation und ein positives Nutzungserlebnis sind enorm wichtig geworden. Käufer:innen von heute wollen einem Anbieter vertrauen können, sich gut beraten fühlen – und im entscheidenden Moment mit einem attraktiven Angebot überzeugt werden.
Verändert das “Messy Middle”-Modell auch die Arbeit von SEOs?
Auf jeden Fall. Als SEO hat man traditionell den Funnel im Kopf und überlegt: Welche Keywords decken die Awareness-Phase ab, welche die Decision-Phase, und so weiter. Mit dem Messy Middle im Hinterkopf muss man diese Herangehensweise erweitern. Die Arbeit von SEOs verschiebt sich dahin, die gesamte Kundenreise stärker zu berücksichtigen.
Konkret heißt das: Meine Website und mein Content müssen in all den Mikromomenten präsent sein, in denen potenzielle Kund:innen unterwegs sind. Jemand, der gerade im Recherchemodus ist, stellt vielleicht ganz andere Suchanfragen als jemand kurz vor dem Kauf. Sucht er zum Beispiel nach „Bestes Smartphone 2025 im Vergleich“, dann muss ich solche Anfragen mit meinen Inhalten abdecken – also nicht nur klassische „Jetzt kaufen“-Seiten bieten, sondern auch Ratgeber, Vergleiche, Testberichte, FAQs und so weiter.
Außerdem rückt das Thema User Experience noch näher an SEO heran. Wenn Nutzer im Messy Middle ständig zwischen verschiedenen Angeboten hin- und herspringen, bleibt die Seite mit der besten Erfahrung länger im Rennen. Das heißt, Ladezeit, mobile Optimierung und klare Navigation zahlen indirekt auch auf den SEO-Erfolg ein, weil sie Besucher länger auf meiner Seite halten. Insgesamt müssen wir als SEOs heute interdisziplinärer denken: SEO, Content, UX und sogar Brand-Management greifen ineinander, um im Messy Middle zu punkten.
Welche drei Tipps gibst du SEOs mit für “Messy Middle” statt “Funnel”?
Drei Tipps, die ich SEO-Kolleg:innen für das Messy Middle mitgebe, sind:
- Kund:innen verstehen und Journey mappen: Nehmt euch Zeit, eure Zielgruppe wirklich zu verstehen. Recherchiert, wie eure potenziellen Kund:innen nach Lösungen suchen. Welche Fragen stellen sie? Wo holen sie sich Informationen? Je besser ihr die typische Reise eurer Kundschaft kennt, desto gezielter könnt ihr eure Inhalte darauf ausrichten.
- Content für jede Phase anbieten: Stellt sicher, dass ihr Inhalte für alle Phasen der Entscheidungsfindung habt, von ersten Ratgeber-Artikeln, die ein Problem eurer Zielgruppe aufgreifen, über Vergleichs- und Testberichte bis hin zu überzeugenden Produktseiten. Wenn ihr selbst hilfreiche Vergleiche, Testberichte oder Fallstudien bietet, bleibt der Nutzer eher bei euch statt zur Konkurrenz abzuwandern.
- Vertrauen aufbauen und Präsenz zeigen: In diesem unübersichtlichen Entscheidungsprozess gewinnt am Ende meist die Marke, der man vertraut und die dauerhaft sichtbar ist. Arbeitet daran, Vertrauen aufzubauen – zum Beispiel durch transparente Informationen, echte Kundenstimmen und guten Service. Und zeigt Präsenz: Wer immer wieder positiv auffällt (sei es durch Top-Rankings, Erwähnungen oder vielleicht auch durch Retargeting-Anzeigen), bleibt im Kopf der Leute. So gebt ihr potenziellen Kunden den letzten Anstoß, sich für euch zu entscheiden.
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