Holistischer Content – Hype oder SEO-Wunderwaffe?

Seit einiger Zeit wird in SEO-Fachkreisen viel von holistischem oder ganzheitlichen Content gesprochen. Gemeint ist damit, dass man auf einer Seite (URL) ein Thema angemessen umfangreich abhandelt, um eine bestmögliche Antwort auf eine Suchanfrage anzubieten. Anstatt vieler einzelner Seiten für jedes exakte Keyword eines Themas, erstellt man eine Seite, auf der die Inhalte gebündelt werden.

Gründe für holistischen Content

Für diese Entwicklung gibt es insbesondere zwei Ursachen:

  1. Google wird zunehmend schlauer und versteht Suchanfragen immer besser. So gelingt es Google (z.B. mit RankBrain) inzwischen besser ähnliche formulierte Suchanfragen mit der gleichen Suchintention als solche zu erkennen und zu bündeln. Leicht abgewandelte Formulierungen bei der Suchanfrage führen nicht mehr zu völlig unterschiedlichen Ergebnissen. Daher kann man auch den Content bündeln und muss nicht für jede Formulierung eine gesonderte Seite erstellen.
  2. Nutzersignale spielen eine immer stärkere Rolle bei Google. Indem sich Google nicht mehr nur auf Links verläßt und gleichzeitig Spamlinks besser entlarvt, nimmt die Trefferqualität bei der Qualitätsbeurteilung von Content deutlich zu. Die Erstellung von hochwertigem Content wird von der Suchmaschine häufiger mit guten Rankings belohnt als noch vor einigen Jahren.

Die Zauberwörter sind „angemessen“ und „Thema“

Der Versuch einen holistischen Text möglichst umfassend zu schreiben ufert teilweise in sehr langen Texten mit mehreren Tausend Wörtern aus. Dabei entsteht oft schon beim Briefing der Eindruck, dass die Länge des Textes im Vordergrund steht und nicht die Qualität. Doch Qualität und Mehrwert eines Textes nehmen nicht automatisch mit dessen Länge zu. Die Zauberwörter sind „Thema“ und „angemessen“. Neben grundsätzlichen Qualitätskriterien sollte man beim Thema bleiben und die Länge des Textes sollte abhängig von der Suchintention der Nutzer angemessen lang sein.

Nehmen wir zum Beispiel die Keywords „Familienurlaub“, „Urlaub mit Kindern, „Urlaub mit Kleinkindern“, „Urlaub mit Baby“ und „Urlaub mit Hund“.

Sollte man zu diesen fünf Keywords eine holistische Seite anbieten, die alles abhandelt, oder doch lieber fünf verschiedene Seiten, die jeweils auf eines dieser Keywords eingehen?

Eine erste Antwort gibt uns ein Blick auf die Suchergebnisse. Die Top-Treffer für diese Keywords unterscheiden sich und es gibt relativ wenig Überschneidungen, wie die folgenden drei Screenshots zeigen.

Suchergebnisse Familienurlaub
Top-3 Suchergebnisse für das Keyword „Familienurlaub“
Suchergebnisse Urlaub mit Baby
Top-3 Suchergebnisse für das Keyword „Urlaub mit Baby“
Suchergebnisse Urlaub mit Hund
Top-3 Suchergebnisse für das Keyword „Urlaub mit Hund“

Es hat einen guten Grund, dass Google für diese Keywords unterschiedliche Seiten auf den ersten Plätzen anzeigt. Hier sind wir wieder beim Zauberwort „Thema“. Ein Urlaub mit einem Kleinkind oder mit einem Hund sind zwei ganz verschiedene Themen. Unterkünfte und Tipps, die gut für einen Urlaub mit Kleinkindern geeignet sind, sind nicht automatisch auch für Urlaube mit einem Hund gut geeignet und umgekehrt. Das gleiche gilt für „Urlaub mit Kind“ und „Urlaub mit Baby“. Wenn man versucht das alles auf einer Seite abzuhandeln, verliert man den Fokus.

Title Tag und Meta Description bilden die Grenzen von holistischem Content

Es gilt zu bedenken, dass man pro Seite nur einen Title Tag und eine Meta Description vergeben kann. Aus diesen beiden Elementen plus der URL bildet Google üblicherweise den Suchtreffer.

Ein gutes Ranking nutzt wenig, wenn nur wenige Leute auf den Treffer klicken, weil Title und Description zu allgemein und nicht relevant genug erscheinen. Darüber hinaus wird man das Ranking bei schlechten Nutzersignalen auch nicht lange behalten. Das setzt dem holistischen Content seine Grenzen.

An keiner Stelle werden die Grenzen deutlicher als beim Title und der Description. Die Gefahr ist groß, dass der Treffer in den Suchergebnissen gegenüber mehr fokussierten Treffern nicht mehr so relevant erscheint.

Es bietet sich in dem Beispiel daher eher an eine Übersichtsseite zum Oberthema „Familienurlaub“ anzubieten und von dort aus auf Unterseiten mit den Unterthemen wie „Urlaub mit Kind“, „Urlaub mit Kleinkind“, „Urlaub mit Baby“ und „Urlaub mit Hund“. zu verlinken. Somit stehen einem dann für jedes Unterseite separate Title und Meta Descriptions zur Verfügung. So bleibt man beim Thema und die Nutzer erkennen auf einen Blick die Relevanz.

Welche Inhalte sollte man auf einer Seite bündeln?

In der SEO-Branche besteht weitestgehend Einigkeit darüber, dass man nicht mehr konsequent für jedes einzelne Keyword einer Keywordliste eine gesonderte Seite (URL) anlegt, die exakt dieses Keyword behandelt. Vielmehr werden heute Wörter zu einem Thema gruppiert und in einem umfangreicheren Text auf einer Seite abgehandelt.

Für folgende Situationen legt man heute eher keine neuen Seiten mehr an:

  • bei unterschiedlichen Wortstellungen wie „Hockeyschuhe“ und „Schuhe Hockey“
  • für Füllwörter wie bei „Hockey Bonn“ und „Hockey in Bonn“
  • bei Synonymen wie „Hockey“ und „Feldhockey“
  • Keywords mit sehr geringem Suchvolumen wie „Spieleranzahl Hockey C-Jugend“ würde man in einem Beitrag „Spielerzahl Hockey“ oder sogar „Spielregeln Hockey“ als einen Aspekt mit abhandeln

Lange Texte sind nicht automatisch besser

Empfehlungen mit einem Anspruch auf Allgemeingültigkeit wie „mindestens XXX Wörter“ sind Unfug und ein schlechter Ratgeber. Es mag sein, dass längere Texte im Durchschnitt eine bessere Qualität besitzen und bessere Qualität häufig mit besseren Rankings einhergeht. Das bedeutet aber nicht, dass immer und in allen Fällen ein langer Text ideal ist. Nicht selten ist auch ein kurzer Text die beste Antwort.

Hierzu ein Statistik-Beispiel, das den Trugschluss von solchen pseudowissenschaftlich Empfehlungen verdeutlicht. Die Durchschnittsgröße der Spieler der deutschen Fußballnationalmannschaft lag 2014 bei 1,85 Metern. Wäre es deshalb klug als Fußballtrainer nur Spieler aufzustellen, die mindesten 1,85 Meter groß sind? Man hätte auf wendige Spieler wie Phlllipp Lahm (1,70 Meter) und Mario Götze (1,71 Meter) verzichtet. Deutschland wäre ohne diese Spielertypen und ohne das Siegestor von Götze im Endspiel gegen Argentinien wahrscheinlich nicht Weltmeister geworden. Nur weil viele Nationalspieler groß sind, bedeutet das nicht, dass kleine Spieler nicht erfolgreich sein können. Dieser Umkehrschluss ist nicht zulässig und wird durch die Praxis widerlegt. Ähnlich verhält es sich mit der Länge von Texten.

Für manche Suchanfragen sind kurze und knappe Texte einfach die beste Antwort. Nicht ohne Grund zeigt Google immer häufiger Features Snippets oder One-Boxen an, welche die Suchanfrage bereits angemessen beantworten, so dass die Nutzer gar nicht mehr auf einen Treffer klicken müssen. Bei manchen Keywords möchten die Nutzer auch eher Bilder, Grafiken, Tabellen, Shopergebnisse oder ein Video sehen, anstatt einen langen Text lesen zu müssen.

Was die beste Antwort ist entscheidet am Ende der Nutzer. Gute Hinweise geben der gesunde Menschenverstand und ein Blick auf die aktuellen Top-Treffer zu einem bestimmten Keyword bei Google.

An die Usability denken und lange Texte gut strukturieren

Entscheidet man sich für eine langen Text, sollte man auf jeden Fall darauf achten, dass er gut strukturiert wird, damit auch Unterpunkte gut auffindbar sind. Bewährt haben sich dabei Inhaltsverzeichnisse, wie sie z.B. auch Wikipedia verwendet, und Zwischenüberschriften.

In Zeiten, in denen Google über die Hälfte der Suchanfragen über Mobilgeräte erhält, sollte man darauf achten, dass die Texte auch auf einem Smartphone noch gut genutzt werden können und die Ladezeit schnell bleibt.

Jeder Trend hat einen Gegentrend

Auch wenn viele Websitebetreiber aktuell versuchen holistischen Content mit sehr langen Texten zu produzieren, schlägt das Pendel irgendwann in die andere Richtung. Wenn jetzt immer mehr sehr lange Texte angeboten werden, entsteht bei den Nutzern auch automatisch eine Nachfrage nach kurzen und knackigen Antworten (Snackable Content). Jeder Trend hat seinen Gegentrend. Es kann daher durchaus eine erfolgreiche Strategie sein bei einem Thema die Nische für Snackable Content zu bedienen und sie nicht komplett den Google One-Boxen zu überlassen.

Fazit: Guter Content ist nicht gleich holistischer Content

Für verschiedene Wortstellungen, Füllwörter, Synonyme und Keywords mit geringem Suchvolumen erstellt man keine gesonderten Seiten mehr, die sich thematisch mit anderen Seiten überschneiden, sondern bündelt sie auf einer Seite. Dabei sollte man aber fokussiert bleiben und nicht verschiedene Themen auf einer Seite behandeln, da man sonst die Relevanz für ein Thema verliert. Das wird besonders beim Title und in der Meta Description deutlich, die pro Seite nur einmal vergeben werden können und damit schlecht mehreren Themen gerecht werden können.

Der Content sollte ein Thema angemessen lang behandeln. Dabei kann es Nachfrage nach kurzen Antworten und nach langen Antworten geben, so dass verschiedene Strategien zum Erfolg führen können. Grundlage für eine erfolgreiche Strategie sind nicht allgemeingültige Regeln, sondern gute Analysen der Nachfrage (Nutzerintention) gepaart mit einem gesunden Menschenverstand.

Wenn man konsequent den Nutzer und seine Bedürfnisse in den Mittelpunkt stellt, kommt man automatisch zu guten Inhalten in einer angemessenen Länge. Die Zielsetzung sollte nicht lauten „holistischen Content“ oder „lange Texte“ zu produzieren, sondern „guten Content“. Guter Content kann holistisch sein, muss es aber nicht.

Video: Holistischer Content – Google Rankingfaktoren 2017 https://player.vimeo.com/video/206024646

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