Hanns Kronenberg
Head of Marketing, SISTRIX
Google betont immer wieder die Bedeutung von Content. Nennt es den wichtigsten Rankingfaktor oder das wichtigste überhaupt auf einer Webseite. Aber was ist überhaupt guter Content und wie kann Google das messen?
Simon Pokorny
SEO Consultant, simon-pokorny.com
Google kann es relativ leicht messen, weil Google die größte Masse an Content je gecrawlt hat. Es gab noch nie jemanden, der so viel Content zu Verfügung hatte. Den man zum einen mathematisch auswerten konnte. Zum Anderen, was noch viel viel wichtiger geworden ist – was in den letzten Jahren auch verstärkt von Google eingesetzt wird – ist einfach die Betrachtung der Nutzerinteraktion mit dem Content
Demnach kann Google natürlich davon lernen und abgleichen welche Useraktion kommt besonders oft bei welchen Typen von Content vor. Was ist da immer identisch? Und das natürlich dann auch, so lernen sie halt was dahinter steckt. Thema “Machine Learning”, was ja schon ziemlich gut ist. Das ist dann einfach der Abgleich: Ok, guter Content ist wenn diese Dinge vorkommen, wenn gute Signale bei uns ankommen, und somit wird es einfach bei denen bewertet.
Früher hat man Content gemacht für die Suchmaschinen oder um sich selbst zu präsentieren. Mittlerweile ist es so, man muss halt stark darauf schauen, was will die Zielgruppe? was erwartet die Zielgruppe? was will der Nutzer? Was ist die Erwartung? wie kann ich sie mit dem Inhalt, mit dem Content, den ich verfasse erfüllen?
Und da sind wir jetzt halt an einem Punkt der viel Nutzerzentrierter ist als noch vor zwei, drei Jahren, im Contentwahn.
Dominik Schwarz
VP Marketing & Communications, HomeToGo
Content kann natürlich auch alles mögliche sein. Wir reden in den meisten Fällen immer von Text, aber das muss gar nicht der Fall sein. Content ist in so vielfältiger Form online und es ist auch ganz klar, dass eben nicht der 800 Wörter-Text der Content ist, den jede Webseite braucht. Sondern vielleicht ist der richtige Content und der gute Content für meine Seite ein ganz anderer Content? Vielleicht ein Bild und vielleicht auch eine Liste? Hauptsache das Ziel, was ich mit meiner Website verfolge, wird dadurch unterstützt.
Was du auch sagst, was der Nutzer eigentlich will. Wenn er erwartet ein Bild zu sehen, dann muss er ein Bild bekommen und wenn er erwartet Text zu sehen, muss er Text zu sehen bekommen
Simon Pokorny
SEO Consultant, simon-pokorny.com
Es ist auch je nach Thema sehr unterschiedlich. Jedes Thema hat so seine eigenen Signale, die dann irgendwo positiv sind oder nicht.
Dominik Schwarz
VP Marketing & Communications, HomeToGo
Absolut. Thema “Nutzerintent”, Thema der Webseite.
Nicolas Sacotte
Gründer & Berater, contentking.de
Genau. Das ist aber, glaube ich, in vielen Fällen gar nicht so einfach. Man sagt es immer so einfach, “Ja ja, die Erwartung des Nutzers muss erfüllt werden”. Aber es gibt viele Suchbegriffe bei denen es nicht so ganz klar ist was die Erwartung ist? Es wird Information erwartet? Wird ein Vergleich erwartet? Wird ein kommerzielles Angebot erwartet?
Und ich glaube das ist auch so ein bisschen die Herausforderung an Content. Versuchen zu messen, wie die Erwartung des Users ist und welche Form, welche Formate, welche Inhalte einfach am besten funktionieren und die Suchintention dann befriedigen.
Das kann ein einzelnes Bild sein, wie du gesagt hast. Vielleicht muss es aber auch ein Rechner sein, oder den Warenkorb, den man befüllen kann. Oder ein Video, was man anschauen kann. Das ist definitiv auch gar nicht so einfach zu messen. Es geht, aber man hat natürlich immer, wie soll ich sagen, gewissen Tendenzen oder Trends.
Man kann sagen: Der Großteil der Besucher die kommen erwarten Informationen. Aber vielleicht hat man auch einen gewissen Prozentsatz die eben ein Video wünschen, oder etwas kaufen möchten. Und da geht auch die Reise vielleicht in Richtung dynamische Landingpages. Wie kann ich den Benutzer besser auf der Seite steuern?
Markus Hövener
Head of SEO, Bloofusion
Also ich hab so den Eindruck, dass viele Content-Marketing noch gar nicht machen. Dass viele Content-Produktion machen, aber Content-Marketing fehlt eigentlich noch. Oft hast Du halt bei kleineren Unternehmen, wenn du fragst: “Macht ihr Content-Marketing?”, ein “Ja, wir schreiben 2 Beiträge pro Woche”. Und das ist dann so das Ziel.
Das man eigentlich eben erst einmal gucken musst, was will ich mit dem Content eigentlich machen? Ist ok, wenn du Content machen willst um damit direkt zu ranken. Du kannst Content machen, um soziale Signale aufzubauen, um Links aufzubauen, was auch immer. Aber setzt dir erstmal ein Ziel. Weil ansonsten kannst du das auch nicht messen. Dann freust du dich dass du so und soviele Besucher in Google Analytics hattest, aber hast dann trotzdem irgendwie nichts erreicht.
Wenn man sich solche Ziele setzt, finde ich es immer ganz wichtig, es gibt die eierlegende Wollmilchbuttersau definitiv nicht. Es gibt vielleicht ein paar Ausnahmefälle, aber grundsätzlich gibt es nicht “den Content”, der gut rankt, der gute Links bringt, der soziale Signale bringt, und der dann auch noch gut für den Markenaufbau ist.
Und deswegen finde ich es immer extrem wichtig erstmal Ziele zu überlegen und dann zu überlegen, was ich mache ich eigentlich? Mache ich einen Blog, mache ich ein Magazin, mach ich einen Ratgeber oder spare ich mir das Ganze und mache ganz andere Aktionen?
Jonas Weber
Google & SEO Berater, seo-kurs.de
Ja, grundsätzlich würde ich sagen, dass Google an zwei großen Stellen sehr guten Content erkennt. Nämlich einmal anhand der Semantik, an der Relevanz des Textes. Vor ein paar Jahren – zwei-drei Jahren ungefähr – konnte man bei Google, zumindest in der englischsprachigen Suche, nach “Qualität der Contents” filtern: überdurchschnittlich, durchschnitt oder unterdurchschnittlich. Daran erkennt man schon sehr gut, wie Google eigentlich in der Lage ist, semantisch hier auch Qualität zu unterscheiden.
Desweiteren, wenn man sich überlegt, wie hat Google Translate vor ein paar Jahren funktioniert? Wie funktioniert es jetzt? Ist da der Sinn in den Übersetzungen drin oder geht der verloren? Da kommt immer mehr der Sinn auch heraus und es wird immer besser. Hier sieht man, dass Google schon viel geschaffen hat um auch semantisch oder insgesamt die Zusammenhänge besser zu verstehen und auch Qualität innerhalb der Texte unterschiedlich zu gewichten.
Und dann ist natürlich der zweite große Punkt, am Ende des Tages, sind die User Signals. Die dann auch gewonnen werden, wie der Content konsumiert wird. Und wenn dann natürlich da jemand abspringt oder mit dem Content nicht zufrieden ist – unterschiedlichste Signale da sind, dass der User nicht zufrieden ist – dann war die Qualität des Contents eben auch nicht ausreichend.
Und das Eine, die Relevanz, ist eher da um überhaupt erstmal dahin zu kommen und dafür brauchen wir leider heutzutage immer noch viel Text-Content. Wenn dann aber an der Stelle eine wunderschöne Shopwelt gefunden wird, wo sich die Leute von den Produkten und den Bildern und den Videos inspirieren lassen können, dann hatte der Content Qualität und dann wird die Seite auch ihr Ranking behalten und dort bleiben.
Markus Hövener
Head of SEO, Bloofusion
Vielleicht noch einen Aspekt: Content-Marketing heißt ja eben nicht nur Produktion, sondern auch Seeding später damit machen. Je nach dem. Wenn ich mir halt das Ziel setze Links aufzubauen, dann muss ich auch wirklich raus gehen und dafür trommeln. Und ich glaube da scheiterts auch noch bei vielen.
Dass man immer noch diesen Matt Cutts-Nimbus verfolgt, “Wenn du großartigen Inhalt hast, dann kommen die Links schon von selber”. Und das ist einfach faktisch nicht der Fall. Das muss einem klar sein. Die eine Hälfte der Zeit ist die Produktion des Contents, die andere Hälfte ist wirklich dafür trommeln und das ganze nach außen tragen. Machen viele auch nicht, finde ich.
Hanns Kronenberg
Head of Marketing, SISTRIX
Ich finde auch Marketing immer einen wichtigen Aspekt: das ist jetzt eine andere Aufteilung in 50-50. Die Hälfte der Arbeit ist es irgendwas von dem Unternehmen nach draußen zu tragen, möglichst erfolgreich. 50% der Aufgabe von Marketing sehe ich eigentlich auch, Informationen aus dem Markt in das Unternehmen zu tragen und dann überhaupt guten Content produzieren zu können. Weil ich überhaupt verstehe was die Nutzer haben wollen.
Simon Pokorny
SEO Consultant, simon-pokorny.com
Aber dafür muss ja der Erfolg des Contents auch ausgewertet werden. Und das ist halt leider oft bei vielen Content-Marketing-Kampagnen nicht vernünftig der Fall.
Nicolas Sacotte
Gründer & Berater, contentking.de
In der Regel auch, wie Markus schon richtig gesagt hat, auf Grund von zu vielen parallelen Zielen die man verfolgt. Ich kann halt nicht als Ziel Sales und Abverkäufe haben und gleichzeitig erwarten, dass dabei wahnsinnig viele Links herumkommen weil es einfach ein kommerzielles Angebot ist.
Grundsätzlich kann man einfach festhalten, dass je weniger Ziele man sich setzt oder je mehr man sich auf ein Einzelziel fokussiert, desto erfolgreicher wird man mit dem Content letztendlich auch werden.
Jonas Weber
Google & SEO, Berater seo-kurs.de
Was z.B. eine wahnsinnig spannende Strategie ist – und die haben glaube ich viele nicht auf dem Schirm – wir haben ja diese unterschiedliche Prozesse von Suchtypen: transactional, informativ etc., und die meisten gehen natürlich auf transactional, weil es am besten konvertiert. Aber da haben wir auch den höchsten Wettbewerb, wir haben vier Anzeigen drüber, alle gehen SEO-mäßig drauf.
Warum steigen die Meisten nicht schon im informativen Bereich ein? Klar, es konvertiert nicht, aber wir haben plötzlich keine Anzeigen mehr über uns, weil keiner drauf wirbt. Weil niemand auf Informative Suchanfragen wirbt, weil sie eben nicht konvertieren. Aber wir haben die Möglichkeit unsere Zielgruppe abzustecken.
Ich nehme mal ein einfaches Beispiel: Klar ich könnte jetzt “Joggingschuhe” suchen, wäre in den meisten Fällen transaktionell. Ich könnte aber jetzt auch suchen: “Schönste Jogginstrecken Bonn”. Und wenn ich auf diese Seite gehe und mir diese Joggingstrecken anschaue, dann bin ich die Zielgruppe für den Shop der Joggingschuhe verkauft und er kann mit dieser Information wahnsinnig viel anfangen.
Und es ist glaube ich, meiner Meinung nach, ein riesen Potential. Mit richtig gutem, informativen Content-Marketing können wir unsere Zielgruppe einsammeln und sie später, über andere Werbekanäle, dann auch zur Conversion bringen.
Hanns Kronenberg
Head of Marketing, SISTRIX
Es kriegt vielleicht auch ein wesentlich höheres Suchvolumen.
Jonas Weber
Google & SEO Berater, seo-kurs.de
Absolut! Ein höheres Suchvolumen. In vielen Fallen keine AdWords Anzeigen.
Nicolas Sacotte
Gründer & Berater, contentking.de
Ja, aber es ist tatsächlich leider so, dass viele Unternehmen auch so die Grätsche in anderen Kanäle noch nicht wirklich verstanden haben. Einen Facebook-Pixel zu verteilen, über organischen Seo-Traffic im Longtail, ohne Conversion-Absicht, quasi entkommerzialisiert. Und die Leute dann auf Facebook mit dem entsprechenden Ad abzuholen. Machen viele einfach nicht. Ich weiß nicht warum?
Dominik Schwarz
VP Marketing & Communications, HomeToGo
Das Content-Marketing scheitert auch häufig daran, was du schon sagst. Da ist häufig vielleicht das Ziel: Ich möchte zwei Artikel, oder ich muss zwei Artikel pro Woche, pro Monat, was auch immer, raushauen. Und genau wie andere Marketing-Arten daran scheitern, dass sie eben nicht mit einem besonderen, zielführenden Zielen gestartet werden, so ist es eben bei Content-Marketing auch.
Wenn Content-Marketing so begriffen wird: “Wir haben eine Infografik und die Infografik ist bei uns auf dem Blog”. Das wird natürlich so alleine nicht funktionieren. Ein ganz guter Indikator ist eigentlich immer: Wenn die Leute, die wirklich Content-Marketing machen von ihrem eigenen Inhalt noch nicht mal so begeistert sind, dass sie ihn selbst teilen würden, dann ist einfach auch das Ganze schon für die Katz.
Markus Hövener
Head of SEO, Bloofusion
Aber das Ziel beim Content wäre ja eigentlich, dass man wirklich die richtig geilen Leuten im Unternehmen schreiben lässt, zum Beispiel. Der Chef von Unternehmen X müsste das jetzt eigentlich machen. Aber der wirds nicht tun. Und deswegen ist es in der Regel auch zweitklassig oder drittklassig was da unten rauskommt, weils irgendwie durch die Marketingmaschine oder durch die PR-Maschine gelaufen ist.
Simon Pokorny
SEO Consultant, simon-pokorny.com
Wobei du auch bei dem Beschreiben von den Leuten die vorne sitzen auch aufpassen musst. Du hast es dann teilweise, dass du ganz hart am Kunden vorbei schreibst. Wenn jetzt ein Ingenieur “wie man ein Auto…” schreibt, das wird kein Endverbraucher verstehen und das will auch kein Endkäufer lesen.
Hanns Kronenberg
Head of Marketing, SISTRIX
…nicht einfach. Aber vielen Dank!