Hanns Kronenberg
Head of Marketing, SISTRIX
Inzwischen erhält Google ja mehr Suchanfragen über Mobilgeräte als über Desktop PCs und hat für dieses Jahr “Mobile first” ausgerufen. Was kommt da auf uns zu und worauf müssen wir uns einstellen?
Simon Pokorny
SEO Consultant, simon-pokorny.com
So viel wird sich jetzt nicht ändern. Zumindest vorläufig. Weil Google selbst noch gar nicht weiß, wo sie hin müssen. Wenn man jetzt in den letzten Monaten einfach mal verfolgt hat was zum Beispiel John Müller gesagt hat, dann merkt man schon sehr stark: sie sind da selbst noch am experimentieren und noch ganz weit davon weg, selbst ein aktuelles Bild zu haben: “wie soll es denn in Zukunft aussehen”.
Sie wissen, es geht mehr in die Richtung, immer mehr wird halt in die Richtung gesucht und irgendwie muss man die Leute halt jetzt dazu bringen, dass sie sich endlich damit auseinandersetzen. A) wie kriege ich meine Webseite schnell? Und B) wie krieg ich sie auf die Smartphones drauf? Das iPhone ist jetzt 10 Jahre alt und es sind irgendwie immer noch 50% der Seiten da draußen ohne mobile Ansicht unterwegs. Dann die, die eine mobile Ansicht haben, haben ganz oft ganz üble m. Seiten und nur ein Bruchteil hat responsive Seiten.
Und Google versucht jetzt einfach die Leute in die Richtung zu drängen: Okay, macht jetzt endlich mal vernünftige responsive Seiten. Überlegt euch, was muss auf die Seiten drauf? Welcher Content ist denn im mobilen Segment sinnvoll? Weil der unterscheidet sich halt auch zum Desktop-Content. Und wie bereite ich das Ganze für den Benutzer bestmöglich auf?
Hanns Kronenberg
Head of Marketing, SISTRIX
Was sie ja schon verraten haben ist, dass das Crawling und die Indexierung der mobilen Seiten zukünftig dann die Rankings der Desktop-Seiten bestimmen soll. Also umgekehrt von dem was wir heute haben, da ist es ja das Crawling der Desktop-Seiten welches das Ranking bestimmt. Was muss man da ändern?
Jens Fauldrath
Geschäftsführender Gesellschafter, get:traction GmbH & termfrequenz PodCast
Da muss man halt sagen, dazu hatten wir jetzt ein Panel mit John Mueller auf der SEOkomm und da habe ich ihn ja direkt danach gefragt. Wir haben ja zwei Themen, die im Großen und Ganzen das Ranking von der Index-Seite bestimmen: den Text den ich habe und die Verlinkungen die ich habe. Und ob ich jetzt auf einer m. bin oder auf einer responsive Seite bin, ich hab in der Regel weniger Text und weniger Verlinkungen. Und Google muss das Problem lösen, weil der Nutzer einfach mehr mobil ist und deswegen haben sie es als Ziel heraus gegeben.
Aber Google weiß selber noch nicht wie sie hinkommen, mit weniger Datenpunkten ein gleichbleibendes Suchergebnis zu liefern. Das wissen sie selber nicht. Das hat er auch ganz klar gesagt. Also, es ist ein Ziel, sie hoffen, dass sie das in einem Jahr hinbekommt, aber sie wissen es nicht. Es kann auch wie immer sein, wenn man sich ein Problem stellt, da kann man auch mal drei Mal so lang brauchen.
Aber das Problem ist nicht “weil Google das macht”. Sondern wir alle haben das Problem, dass mehr Leute Mobile nutzen. Das heißt wir müssen uns das ganze Thema durchdenken. Und zwar: was heißt es für “Mobile Usability” in Warenkörben? Also jeder von uns weiß ja, wenn er mal versucht hat mobile einzukaufen, da kann man sehr viel falsch machen. Best Practices haben sich aber auch noch nicht so ganz sauber raus gebildet.
Also die Usability Best Practices, die ich für Desktop habe, die sind im Mobile noch nicht so weit entwickelt. Da fehlt eine ganze Menge auf vielen Ebenen. Und deswegen sollte man sich auch wirklich selber mit dem Thema auseinandersetzen. Aber eher damit, wie mache ich die User Experience Mobile? Einfach neu denken.
Ganz weg von dem Thema SEO. Und einfach für sich eine Mobile Usability Strategie entwickeln und dann schauen, ob Google da irgendwann rankommt. Jetzt zu raten, was sie vielleicht machen werden, wenn sie es selber noch gar nicht wissen. Das ist ein waste of time. Das muss man ganz klar sagen.
Simon Pokorny
SEO Consultant, simon-pokorny.com
Spannend aber ist ja auch dass die Frage nochmal kam, “Okay, wie soll das denn in Zukunft aussehen?” und John Müller daraufhin wirklich gesagt hat: A) dass sie es noch nicht wissen und B) dass es einfach momentan an einem Punkt ist, an dem sie im Idealfall eine Änderung machen wollen, die aber keiner nach Außen bemerken soll. Das heißt, was wollen sie dann ändern? Da muss man ein bisschen aufpassen.
Und was ich auch ganz spannend finde. Wenn man so durch die Läden geht – also durch die Marketingabteilungen – überall stehen iMacs oder sonstige große Rechner, große Bildschirme. Wer von den Leuten in den Marketingabteilungen nimmt denn mal das Handy in die Hand und ruft die eigene Seite auf? Und das vor allem auch regelmäßig. Das wird einmal gemacht, wenn es heißt, “Okay, jetzt gucken wir mal. Jetzt machen wir mal ein neues Layout oder irgendeine andere Umstellung im Mobile Segment”. Dann wird mal kurz drauf geschaut und dann wieder monatelang nicht. Und das ist ein großes Problem was wir an der Stelle haben.
Tobias Schwarz
Geschäftsführender Gesellschafter, Audisto GmbH
Technisch haben wir da zwei Möglichkeiten. Wir können ja entweder versuchen das Ganze responsive zu machen. Das heißt, dass wir eigentlich nur noch eine Seite haben die im Idealfall für beide Devices funktioniert. Problem ist da natürlich, dass ich auf einem Desktop-Device deutlich mehr Inhalte präsentieren kann als auf einem Mobile-Device. Was dann mitunter dazu führt, dass Desktop-Seiten sehr umfangreich werden und dann auf Mobile langsam sind.
Die zweite Variante ist natürlich das, was wir bis jetzt ja verstärkt haben, dass wir zwei unterschiedliche Varianten für Mobile und Desktop haben. Da ist dann für Google das Problem: kann ich verstehen, dass die zusammengehören? Und da ist die Frage natürlich, “ist die rel=”alternate”-Auszeichnung vollständig vorhanden oder nicht?” Und gegebenenfalls habe ich eben canonical-Tags gesetzt oder was auch immer.
Und ich glaube, der Hinweis, was Google natürlich möchte, ist vor allem dass man sich jetzt intensiver mit dieser Thematik auseinandersetzt und da Versäumnisse gegebenenfalls einfach gerade zieht.
Florian Stelzner
Geschäftsführender Gesellschafter, Wingmen Online Marketing GmbH
Gut, das propagieren sie jetzt letzten Endes auch schon seit ein paar Jahren. Allein durch den Zuwachs der Mobilgeräte. Der Google Consumer Barometer wird ja irgendwie auf jeder zweiten Konferenz von Google selber durchs Dorf getrieben. Um mal zu schauen, wie sind so die Verhältnisse der Nutzerzugriffe und wo wird denn letzten Endes denn auch wirklich was gekauft?
Ich glaube, dass man erstens grundsätzlich nicht in Panik verfallen sollte. Zweitens sollte man sich Gedanken darüber machen, wie kann denn die optimale mobile Seite für mich aussehen? Das ist nicht immer Responsiveness. Das ist letzten Endes das einfachste Mittel um halt eine mobile Version zu haben, aber das ist nicht zwangsläufig die beste Version das möglich ist.
Und ein Fehler, den ich eigentlich häufig bei den Seitenbetreibern entdecke, die jetzt noch überhaupt gar keine mobile Version haben. Bei denen kommt ja genau diese Frage dann häufig auf, “Oh, Google ändert da irgendwie was. Muss ich da auf irgendwas achten? Brauch ich eine mobile Version? Ich hab ja momentan noch so wenig Traffic.”
Das ist dann möglicherweise ein Henne/Ei-Problem. Man hat keinen Traffic, weil man eben gerade keine mobile Version draußen hat. Da ist Responsiveness dann erstmal ein probates Mittel, denke ich, um mal zu schauen, “Wie funktioniert das Ganze denn eigentlich?” Und was so wirklich die Auswirkungen sind – haben wir gerade schon gehört – das werden wir dann halt noch sehen. Und AMP wollen wir hier gerade gar nicht ansprechen.
Sebastian Erlhofer
Gründer & Geschäftsführer mindshape GmbH
Das werden wir sehen, ja. Ich halte das Thema “Mobile first” auch komplett für überschätzt. Ich glaube, die Meisten die eine responsive Website haben, werden einfach überhaupt nichts feststellen. Weil die Seiten sowieso deckungsgleich sind. Worauf man, glaube ich, achten muss ist wirklich, dass Mobiltauglichkeit nicht heißt, dass ich responsive bin. Sondern dass die Webseite wirklich mobil gut zu bedienen ist.
Und das heißt eben, zum Beispiel, wenn ich nach einer Anfahrtsskizze suche, kann ich mir auf dem Desktop eine 5MB-PDF herunterladen. Auf Mobil wäre das eine unglaublich beschissene Nutzererfahrung. Und da muss ich halt auch immer mehr hingucken.
Oder wenn ich ein Check-Out machen will: auf dem Desktop gehe ich durch vier Schritte und gebe alle meine Daten ein. Mobil würde ich das nicht machen. Da wäre für mich so ein “Check-Out bei Amazon” vielleicht die schnellere und effizientere Lösung. Und ich glaube, da wird noch viel passieren müssen. Dass man eben darauf achtet. Nicht nur: funktioniert die Seite mobil? Sondern: ist sie auch bedienbar? Und ist sie effizient bedienbar?
Jens Fauldrath
Geschäftsführender Gesellschafter, get:traction GmbH & termfrequenz PodCast
Und das ist ja das Thema, was wir auch schon bei anderen Themen gesehen haben. Google nutzt hier seine Marktmacht, die sie haben, um Probleme über SEOs in den Markt zu kommunizieren, die eigentlich gar nicht an der SEO-Ecke zu liegen haben.
Weil dieses Usability-Thema ist komplett unabhängig, das betrifft jeden Traffic auf der Seite. Und wir hatten das gleiche Thema vor einigen Jahren, wo sie mit dem Ladezeiten-Thema um die Ecke gekommen sind. Auf einmal heisst es dann, “Ey, SEO, kümmer dich mal um die Ladezeiten!” Und wir haben es auch am stärksten gepushed.
Aber lieber Gott, Kinners, das hätte schon die letzten fünf Jahre gemacht werden müssen, das muss immer gemacht werden. Und für mich ist es eigentlich gar nicht so wichtig. Warum hört ihr gerade mir als SEO zu? Und wo waren die Usability-Experten die ganzen letzten zehn Jahre? Und warum haben die das Thema nicht gepushed?
Also das ist wirklich eine Aufforderung, sich genau um diese mobile Bedienbarkeit, die Nutzerszenarios in Mobil mal neu zu bedenken. Und zu sagen, “wie muss das denn sein, damit ich Spaß habe auf meinem Phone einzukaufen?”
Tobias Schwarz
Geschäftsführender Gesellschafter, Audisto GmbH
Mitunter ist das aber trotzdem eine Sache von neuen Technologien. Also wenn wir jetzt mal HTML5 anschauen, damit ist es ja jetzt auch möglich, Bilder in unterschiedlichen Größen responsive auszuliefern. Das schafft natürlich auch erstmal die Möglichkeit, dass ich auch unterschiedliche Dateigrößen habe und Mobile ein Bild auch schneller geladen werden kann.
Oder jetzt HTTP2, wo ich einfach parallel Bilder und Ressourcen laden kann. Oder QUIC, was ja ein Protokoll ist, was nicht mehr auf TCP basiert, sondern auf UDP. Und damit einfach für diese instabilen Mobilverbindungen viel besser optimiert ist.
Jens Fauldrath
Geschäftsführender Gesellschafter, get:traction GmbH & termfrequenz PodCast
Absolut richtig. Aber wie du schon gesagt hast, mit den verschiedenen Dateigrößen, da ist hier eigentlich nicht der Mittelständler aufgefordert das Problem zu lösen. Sondern das Shop-System und das Content Management System muss so etwas unterstützen. Weil so etwas in Bestehendes rein zu bauen wird für Mittelständler unmöglich.
Also hier sind auch Basis-Technologien einfach zur Verfügung zu stellen, damit so etwas überhaupt funktioniert. Deswegen, auch ganz wichtig von dir, nicht in Panik verfallen. Weil wenn du jetzt versuchst es ad hoc zu lösen, weil du weißt was kommt: das ist nicht bezahlbar. Da liegt der Ball eigentlich erstmal bei ganz anderen Leuten im Feld.
Simon Pokorny
SEO Consultant, simon-pokorny.com
Das Ding ist, die Leute kümmern sich nicht wirklich darum. Deswegen gibt es dann auch so Lösungen wie AMP. Weil die Leute sich einfach nicht darum gekümmert haben, dass die Sachen schnell ladend zur Verfügung stehen.
Jens Fauldrath
Geschäftsführender Gesellschafter, get:traction GmbH & termfrequenz PodCast
Das haben sie ja. Das Problem ist die Vermarkter haben keinen Bock drauf gehabt ihre Werbemittel schnell auszuliefern. Also so ein Verlag hat sein Content Management System in der Regel im Griff und kriegt seine Sachen auch schnell ausgeliefert, bis der Vermarkter kommt. Dann ist immer Ende gewesen.
Florian Stelzner
Geschäftsführender Gesellschafter, Wingmen Online Marketing GmbH
Ich glaub dieses ganze Thema “Nicht in Panik verfallen” ist Nummer 1, kann bleiben. Aber auf der anderen Seite auch die Chance sehen. Aus den technologischen Gegebenheiten kommen ja auch schöne Sachen raus. Dass ich die Möglichkeit habe bei einer Webseite festzustellen wie die Internetverbindung gerade ist, welche Geschwindigkeit dahinter ist.
Oder solche tolle Geschichten wie: ich weiß es sind nur noch 5% Akkuladestand, dann kann ich ja jetzt gerade nochmal den 10% Rabattcode raushauen, wenn ich sowas verbinde. Das habe ich noch nirgendwo gesehen. Aber das wäre halt mal cool. Dann macht es halt wieder Spaß, so eine Technik auch mal auf einer Webseite anzuwenden.
Hanns Kronenberg
Head of Marketing, SISTRIX
Prima. Vielen Dank.