09. Rankingfaktor Content – holistischer Content

Mit Hanns Kronenberg, Jonas Weber, Marcus Tandler, Prof. Dr. Mario Fischer, Markus Hövener und Simon Pokorny.

Hanns Kronenberg
Head of Marketing, SISTRIX

In SEO-Fachkreisen wird in letzter Zeit häufig von “holistischem Content” oder “ganzheitlichem Content” gesprochen. Was muss man darunter verstehen?

Markus Hövener
Head of SEO, Bloofusion

Also, früher war es zum Beispiel so dass, wenn du 100 Keywords in der Keyword-Datenbank gefunden hast, hast du 100 Seiten dafür gemacht. Die Zeiten haben wir glaube ich alle noch miterlebt. Das geht halt so nicht mehr. Im Prinzip musst du Wörter gruppieren. Und es gilt glaube ich auch die Regel, wo du früher einfach viele kleine Seiten gemacht hast, machst du heute eine große Seite.

Und so als Faustregel finde ich immer, dass Wortstellung ist nicht mehr so wichtig ist. Also ob du “Gulasch Gewürz” oder “Gewürz Gulasch” hast ist eigentlich egal. Für Füllwörter, also “Wandern Spanien” oder “Wandern in Spanien”, würde ich auch keine neue Seite machen. Synonyme, so wie “Schraubenzieher” und “Schraubendreher”, würde ich vielleicht auch in einem abhandeln.

Und natürlich wenn du Wörter mit sehr wenig Suchvolumen hast, also “Hörgeräte Kosten Zuzahlung Krankenkasse”, da würde ich auch sagen, mach ich lieber einen großen, breiteren “Hörgeräte Kosten” Beitrag und pack die “Zuzahlung” da als einen Aspekt mit rein.

Also dieses Klassische, viele kleine Seiten, das funktioniert einfach nicht mehr.

Marcus Tandler
Gründer / Geschäftsführer, OnPage.org

Also ich glaube, das ist schon perfekt erklärt. Da kann man fast gar nichts hinzufügen. Ich glaube, was man noch hinzufügen sollte ist: Umso unklarer es ist, wonach jemand sucht, desto eher favorisiert Google möglichst holistischen Content.

Gerade so das Short-Head Keyword “iPhone”. Was sucht jemand der ein “iPhone” sucht? Will der wissen, was es kostet? wo ich es kaufen kann? wie groß es ist? wann das nächste kommt? was auch immer? Es gibt ja unterschiedliche Suchintentionen die hinter dieser Short-Head Abfrage stecken können.

Und gerade bei solchen Fragen, wo es halt wirklich unklar ist, oder auch bei Longtail Abfragen, die halt unglaublich selten vorkommen, bei denen ich einfach keine User-Intent Signale bislang sammeln konnte, weil die Suchanfrage einfach so selten vorkommt, gerade in solchen Fällen favorisiert Google halt möglichst holistischen Content. Dass ich ein Thema möglichst holistisch behandle, gibt mir da einfach die größere Chance, dass du dann das findest, was du wahrscheinlich suchst. Weil du da gerade einfach alles behandelst.

Und das hast du ja auch exzellent gesagt. Genauso ist das ja der Fall, wenn ich da entsprechend das Thema möglichst umfassend behandel. Dann bist du dann auch einfach ein sehr gutes Resultat für jemanden, bei dem ich wirklich nicht weiß, worum es geht? Weil vielleicht findet er gerade auch hier die Information mit der Zuzahlung, Kosten etc.… das ist dann auch dementsprechend dort enthalten. Der muss diese Suchanfrage nicht extra nochmal formulieren, der muss keine Refined Search machen, sondern er findet es direkt dort. Perfekt.

Markus Hövener
Head of SEO, Bloofusion

Plus der Nutzer bleibt vielleicht auch deutlich länger auf der Seite, weil sie umfangreicher ist. Und er geht vor allem nirgends mehr zurück zu den Suchergebnissen und klickt woanders drauf, weil du hast alles beantwortet.

Pr. Dr. Mario Fischer
Studiengangsleiter E-Commerce, Hochschule für angewandte Wissenschaften (FH) Würzburg

Was ich auch unheimlich witzig finde ist, dass man in der SEO-Branche eigentlich jetzt erst darauf kommt über das Thema zu sprechen. Dass man sagt, Google will das. Eigentlich will es ja der Nutzer. Google versucht ja nichts anderes abzubilden als das, was die Leute suchen wollen. Die sollen ein gutes Suchergebnis haben und eine gute Webseite.

Und dann gibt es ja den Punkt, wenn jetzt jemand “Funkmaus” eingibt – wie du sagst, Short-Head, also ein einzelnes Keyword – weiß natürlich Google genau, jemand der “Funkmaus” eingibt, kriegt vielleicht zu allgemeine Treffer. Und dann fängt der Nutzer mit so einer sogenannten Refined Search an und tippt nochmal “Funkmaus Batterie Lebensdauer” oder “Reichweite”, oder “Funktionsprinzip”, was auch immer, ein.

Das heisst, Google weiß aus so einer längeren Suchsession sehr wohl, welche zusätzlichen Begriffe und Themen noch zu dem Hauptbegriff gesucht werden. Weil sie es ja quasi mit aufzeichnen können. Und die müssen jetzt nur gucken, welche Seiten haben denn diese zusätzlichen Sachen drauf. Also ich habe eine Seite mit “Funkmaus”, ich habe aber auch die Batterielebensdauer, die Installationshinweise und alles was im Netz dazu gefragt wird.

Und wenn du dann so eine Seite baust, dann hast du eigentlich genau diesen holistischen Content. Aber eigentlich ist es nichts anderes als das was die Leute eigentlich haben wollen, weil sie sagen “Ich will diese Information”. Schön, tolle Seite, dann bleiben sie auch länger. Wie du gesagt hast, vielleicht kaufen sie auch, wenn du da einen Call-To-Action im Shop hast.

All diese Fragen zu beantworten, die zum Thema kommen, ist eigentlich gar kein großes Hexenwerk. Aber man hat relativ lange gebraucht und Google hat uns, oder die Branche, dazu zwingen müssen: “Denkt mal an den eigentlichen Besucher. Was will der denn haben?”

Das finde ich so kurios, dass Google uns eigentlich erst dahin bringt. Weil keiner ist vorher auf die Idee gekommen mal Texte zu machen, die der User haben will. Sondern man hat immer nur Texte für einzelne Keywords oder Kombination geschrieben. Und eigentlich waren das üble Texte und jeder hat sich gewundert, warum die Leute wieder wegrennen. Und jetzt endlich ist es mal soweit, weil Google einfach die Rechenpower hat, zu sagen, “Wenn du nen guten Content hast, dann bring ich dich auf die erste Seite” und jetzt denkt man darüber nach, guten Content zu bauen.

Marcus Tandler
Gründer / Geschäftsführer, OnPage.org

Der Funnel ist jetzt anders rum. Früher hast du einfach möglichst viele Leute oben rein gekippt und umso mehr du rein kippst, dann bleibt da auch der relevante Teil übrig. Heutzutage musst du nur die Relevanten da rein kippen, weil sonst kippen deine User Signale weg und du rankst halt auch nicht mehr.

Jonas Weber
Google & SEO Berater, seo-kurs.de

Aber denken wirklich die meisten jetzt darüber nach, dass sie guten Content bauen sollen, oder holistischen Content schreiben, damit sie in Google ranken? Weil das ist so das Problem, weil du kannst auch in 1000 Wörtern einen sehr guten Content anbieten.

Ich hab zum Beispiel jetzt oft das Problem, wenn ich sage “Okay, 1000 Wörter reichen hier jetzt, um alles wirklich runterzubrechen und aufzuzeigen, für dieses eine Produkt” und dann kommt, “Ich brauch 5000 Wörter” und das ist dann natürlich auch wieder ein bisschen kontraproduktiv.

Aber wenn ich jetzt von der Search Intention pro Keyword ausgehe und ich suche ein ganz bestimmtes Detail und jetzt komme ich auf diese ewig lange Seite und ich finde meinen Punkt nicht, den ich gerade eben gesucht habe. Ab diesem Zeitpunkt…

Marcus Tandler
Gründer / Geschäftsführer, OnPage.org

Apfel + F: Suchfunktion.

Jonas Weber
Google & SEO Berater, seo-kurs.de

Ja klar, für den fortgeschrittenen User. Aber ab dem Zeitpunkt ist – meiner Meinung nach, oder auch vom User her aus, das zeigen ja die User Signals, weil er dann wieder abspringt, weil er es nicht findet – der Content vielleicht zu lang. Und dann haben wir es vielleicht übertrieben.

Pr. Dr. Mario Fischer
Studiengangsleiter E-Commerce, Hochschule für angewandte Wissenschaften (FH) Würzburg

Kommt natürlich immer auf die Suchintention an. Natürlich, klar, wie tief will jemand suchen? Aber, da muss man nämlich auch immer gucken, was haben die anderen? Was ist bei den Mitbewerbern?

Das ist ja wie das Thema, wie du sagst, wie im Urwald. Der eine, der da seine Turnschuhe auspackt, und der andere sagt “Wieso ziehst du Turnschuhe an?” Sagt er “Weil ich schneller rennen kann, wenn der Löwe kommt” und dann sagt der eine “Du kannst doch mit Turnschuhen auch nicht schneller als der Löwe rennen” und dann sagt er “Ja, muss ich auch gar nicht. Es reicht mir, wenn ich schneller rennen kann als du.”

Das heißt, ich muss eigentlich immer nur einen Tick besser sein als der Mitbewerber. Ich brauch auch keine 5000 Worte.

Jonas Weber
Google & SEO Berater, seo-kurs.de

Ja, das ist aber ein anderer Punkt. Da geht’s dann ums Benchmarking. Okay, wenn der Mitbewerber nur ganz kurze Texte schreibt und ich mach es ein bisschen besser, dann kann ich an ihm vorbeiziehen.

Aber das heißt nach hinten raus dann trotzdem nicht das es unendlich so weitergehen kann. Die Entwicklung ist irgendwann ungesund, wenn dann jeder in den Top 10 einen 3000 Wörter Text hat. Dann muss ich überlegen, wie kann ich mich da profilieren?

Marcus Tandler
Gründer / Geschäftsführer, OnPage.org

Und dann gibt’s wieder Korrelationsstudien, die sagen “Oh, du musst 3000 Keywords haben, sonst rankst du nicht in der Top 10!”

Simon Pokorny
SEO Consultant, simon-pokorny.com

Aber das Problem ist ja auch beim holistischen Content, den man ganz oft sieht, die Leute fangen A) an bei der Erstellung das Thema zu verlieren. Das heißt, das Dokument hat am Ende nicht mehr ein Thema nach dem es fokussiert ist, nach dem es ausgerichtet ist. Zum anderen kommen viele dabei ins schwafeln. Und dieses Schwafeln hilft dann keinem weiter.

Zudem ist ein weiteres Problem auch einfach noch die Benutzung. Also der Benutzer kommt auf so eine Seite und wird erschlagen mit 20,000 Wörtern, findet aber nicht die Informationen die er möchte. Und da muss noch ganz viel weiter hingehen. Einfach, wie bereitet man den Content auf, so dass er gut zu konsumieren ist? So dass derjenige gleich das findet, was er möchte.

Pr. Dr. Mario Fischer
Studiengangsleiter E-Commerce, Hochschule für angewandte Wissenschaften (FH) Würzburg

Strukturiert – da sind wir wieder – auf den User. Wenn ich oben ein vernünftiges Inhaltsverzeichnis hab, macht es gar nichts, wenn es lang ist, weil ich kann da hin springen. Es ist immer die Frage, wie man den Content baut.

Simon Pokorny
SEO Consultant, simon-pokorny.com

Für den Benutzer und nicht für die Suchmaschine.

Markus Hövener
Head of SEO, Bloofusion

Ich mein, es ist ja häufig ein Effekt davon, dass man einfach in die Extreme geht. Irgendeiner sagt “Ich war auf einer Konferenz, da hat einer gesagt, du brauchst mindestens 2000 Wörter”. Dann sagt er, “Ja, dann mach ich halt 2,5”.

Und dass man einfach drüber nachdenkt, dass das alles auch noch jemand vernünftig konsumieren muss. Das sind halt manchmal so Regeln. Wir alle wissen das, wenn es zu lang wird, dann liest das auch keiner mehr. Und du musst eine Struktur haben und Lesbarkeit. Aber genau dann geht einer nach content.de und gibt den Auftrag für 2500 Wörter. Und das kann es dann eben nicht sein.

Marcus Tandler
Gründer / Geschäftsführer, OnPage.org

Das ist dann wie zum Beispiel bei “Hotel München”, und dann machen sie immer einen Teil, “München ist eine tolle Stadt, bietet tolle Lebensqualität…” was dann irgendwo in der Sidebar oder unten im Footer untergebracht ist.

Was sucht jemand, der “Hotel München” sucht? Hotels in München, that’s it! Am besten die Coolen vorne und das ist der Content, das ist was die Leute suchen. Und ich muss nicht lesen, dass München ne tolle Stadt ist und da 1,5 Millionen Leute wohnen oder was weiß ich auch immer. Da kann ich zu Wikipedia gehen.

“Hotel in München”: ich brauch Hotels in München. Das macht dann jeder, dann denkt jeder “Oh, das muss ich auch machen”. Oh, Jungs…

Markus Hövener
Head of SEO, Bloofusion

Und natürlich auch das Problem, ich mein, die meisten gehen über Mobile rein. 2500 Wörter, da stirbt dir halt der Daumen vorher ab. Du brauchst ein Inhaltsverzeichnis am Anfang um hin zu springen, aber trotzdem. All das muss ja jemand konsumieren können.

Pr. Dr. Mario Fischer
Studiengangsleiter E-Commerce, Hochschule für angewandte Wissenschaften (FH) Würzburg

Und wenn ich dem User jetzt auch schon bei “Funkmaus”, ohne dass er ein Long Tail eingibt, das gebe, ist die Wahrscheinlichkeit relativ hoch, dass das Spezifische, was jemand wissen will, auf der Seite verortet ist.

Und dann kommt es halt, wie du richtig sagst, leider dazu, dass man sich jetzt auch noch um die Struktur Gedanken machen muss, um die Usability.

Und am Ende sind wir wieder da, was Matt Cutts schon vor 15 Jahren gesagt hat, “Build great content” und wir befürchten, dass das Wahr sein könnte.

Hanns Kronenberg
Head of Marketing, SISTRIX

Das ist doch ein schönes Schlusswort.

Marcus Tandler
Gründer / Geschäftsführer, OnPage.org

Wenn ich jetzt den Spitznamen “Funkmaus” bekomme, haben wir echt ein Problem.

SISTRIX Content Team
13.04.2021